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Wenngleich wir stets um eine zeitnahe Berichterstattung bemüht sind, überholt die Aktualität der Ereignisse manchmal auch uns. So im Falle des Amesa, welches wir noch vor wenigen Wochen besucht haben – und welches, wie kürzlich bekannt wurde, in seiner jetzigen Form keinen Bestand über den August hinaus haben wird. Dann wird Juan Amador nicht mehr "nur" der Patron sein, sondern selbst das Zepter in der Küche schwingen.
Ein Zepter, das derzeit noch Caro Baum inne hat und es damit binnen zwei Jahren zur Anwärterin auf den 2. Stern brachte. Mehr noch, hat sie in dieser Zeit doch einen fulminanten Aufstieg zu Deutschlands bester Köchin hingelegt. Und so machen wir keinen Hehl daraus, dass wir seit unserem ersten Besuch immer wieder gerne „zu Tisch“ bei Caro Baum waren.
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Wir alle werden ihre Kreationen vermissen und sind umso glücklicher, uns beim "letzten Ma(h)l" quer durch die Karte gefressen zu haben. So betrachten wir diesen Bericht auch als letzte Hymne auf die derzeitige Schaffensphase von Caro Baum.
Den kulinarischen Auftakt bildet mit dem Mannheimer Flammkuchen der Amesa-Klassiker schlechthin, der mit seinem knusperdünnen Teig und dem herzhaften Aromenspiel des Belags in seiner rustikalen Filigranität nicht zu verbessern ist.
Auch das zweite Amuse zeigt eine zeitgemäß optimierte Ausführung eines Klassikers: die dekonstruierte Bouillabaisse offenbart ein kontrastreiches Spiel zwischen röstigem Pulpo, seidenzarter Rotbarbe und einem erfrischenden Bisque-Eis – harmonisch zusammengeführt durch den angegossenen Paprika-Sud.
Von ähnlicher Harmonie ist auch das Beefsteak Tatar “Rossini”. An sich schon perfekt abgeschmeckt, wird es durch das Zusammenspiel von kräftigem Trüffel, süßlicher Schwarzwurzel und schmelzender Gänseleber vielfältig umspielt und zugleich aromatisch abgerundet. Der Spannungsbogen in der Temperatur (kalt bis warm) sowie die texturelle Vielfalt tun ihr übriges, um uns schlichtweg zu begeistern.
Mit der Marinierten Gänseleber “Cumberland” Pumpernickel / süßer Senf / Johannisbeere / Ingwer erwarten wir eher einen dramaturgischen Dämpfer, werden aber positiv überrascht. Erdig-süße Noten vom Pumpernickel und die süßliche Senfschärfe wechseln sich mit der Schärfe des Ingwers ab – all das moderiert von der Säure der Johannisbeere. Die Elemente finden hier wie von selbst zusammen und verhelfen den aromatischen Facetten der Gänseleber zu stärkerer Präsenz. Hervorragend!
Anders dann der Kaisergranat "Doria" Salatgurke / Sepia / Zitrone. Hier entwickelt sich durch die Variation von verschiedenen Texturen (weich bis kross) und Temperaturen (warm bis kalt) eine spannende Dynamik, bei der die Protagonisten fast gleichwertig die aromatische Szenerie bestimmen. Die Frische der Gurke greift in die Milde des Sepia, abgelöst von der dezenten Buttrigkeit des Kaisergranats. Einzig das Zitronengel sollte auf dem Teller etwas pointierter verteilt sein, da es die Geschmacksnerven nachhaltig zu dominieren vermag, wenn man es in zu großer Menge „erwischt“.
Die Jakobsmuscheln “à la Carbonara” lassen uns schon beim Servieren aufmerken, als sich ein wohliger Duft über unserem Tisch ausbreitet. Und dann tauchen wir ein in die süffige Allianz aus fettig-schmelzendem Schweinebauch, süß-würziger Perlzwiebel und rustikalem Parmesan. Ergänzt durch ein weich gegartes Wachtelei und etwas Iberico-Schinken ist die perfekte Bühne für die Jakobsmuschel bereitet. Göttlicher gespeist haben wir selten.
Danach hat es die Seezunge “à la Moelle” schwer, uns zu begeistern. Dennoch handelt es sich um ein souverän gekochtes Gericht, bei dem die Seezunge trotz den vollmundigen Begleitern Ochsenmark, Chicorée und Nussbutter nicht untergeht. Noch wirkt das Ganze nicht recht ausgereift, aber mit wenigen Verschiebungen der Proportion könnte dieses Gericht sein ganzes Potential entfalten.
Mit St.Pierre “à la Nordique” Rote Bete / Räucheraal / Braunkäse interpretiert Caro Baum den Begriff „nordisch“ auf eine sehr elegante und eingängige Art. Interessant ist hier vor allem der norwegische Käse, der aufgrund seiner Karamellnoten für das Gericht unabdingbar wird. Als ausgleichende Brücke agiert er zwischen der Intensität des Rote-Bete-Jus und der Rauchigkeit des Aals sowie dem feinen Geschmack des St. Pierre. Dennoch braucht es hier den Wein, um diesem Gericht zu einer gänzlich schlüssigen Harmonie zu verhelfen.
Im Anschluss lässt uns das Kalbsbries "à la Forestière" den Wein fast vergessen, eröffnet es uns doch mit Topinambur, Buchenpilzen und Mohn ein sensationell sinnliches Erlebnis. Das zarte Bries zergeht im Mund und wetteifert im Wohlgeschmack mit den süßlichen Noten der Topinambur und der Herzhaftigkeit der Pilze. Im Einklang mit der subtilen Nussigkeit des – perfekt dosierten – Mohns ist dieses Gericht eine Götterspeise im besten Sinne: intensiv, finessenreich und lange nachhallend.
Beim Bentheimer Schwein “à la Vichy” Karotte / Petersilie / Lakritze kommt es anschließend zu einem kritischen Moment. Eingebunden in eine schlüssige Komposition zwischen süßlichen, anisigen und herbalen Noten ist es die Qualität des Fleisches, die hier nicht überzeugen kann: Das Schwein ist zäh. Unserer Beanstandung wird in der Küche sofort auf den Grund gegangen – auf den angebotenen Ersatz verzichten wir. In jedem Fall zeugt die Reaktion von einer souveränen Haltung, die wir uns in jedem Haus dieser Klasse wünschen!
Vor dem Hauptgang ist das Champagner-Sorbet genau das, was es sein soll: eine wohlschmeckende und erfrischende Petitesse…
…die hier zum "Zwiebelrostbraten" überleitet. Der schwarze Knoblauch und der Rosenkohl halten sich wie die Zwiebeln weitestgehend im Hintergrund und überlassen der butterweich geschmorten Ochsenbacke das Feld. Diese füllt in Union mit dem Jus den Mund mit solch einem vollen Geschmack aus, dass es einfach nicht mehr braucht, um einen (Fr-)Esser glücklich zu machen. Anders gesagt: Dies ist einfach die beste Schlachteplatte unseres Lebens.
Der süße Part des Menus startet mit der [monnemer aronge] Orange / Schokolade / Baiser. Ein hocharomatisches Dessert, bei dem sich die Protagonisten höchst unterschiedlich in Textur und Temperatur präsentieren. Man ist regelrecht eingeladen, zu spielen und sich aus der Vielfalt an Möglichkeiten seine ganz persönliche Balance aus fruchtiger Frische, kakaoigem Schmelz und samtiger Weichheit auf dem Löffel zusammen zu stellen.
Contrâire dazu die “Tarte au noisette”, die man von links nach rechts (oder eben anders herum) essen kann und dabei stets das Spektrum der Kombination von Haselnuss, Banane und Kokos erlebt. Zwischen Exotik, milder Frucht und edler Nuss verläuft hier das Hin und Her der Aromen. Essentiell ist hierfür die dunkle Erde aus Bröseln, die alle Elemente mit einem Crunch unterlegt und so einen Rhythmus in deren sonst so "weiches“ Spiel bringt.
Zum Abschluss nimmt uns die Patisserie bei der Hand und führt uns mit dem “Milchreis” in unsere Kindheit. Ergänzt durch Zucker, Zimt und Apfel wird dieser Klassiker im Detail sehr differenziert ausgearbeitet und überrascht mit einem subtilen Spannungsbogen zwischen Säure (Apfel) und Süße. So ist es ein Leichtes, sich fallen zu lassen und einfach zu genießen – bis man auf die frittierten Reiselemente beißt. Diese haben zwar einen schönen Crunch, hinterlassen zuweilen jedoch einen leicht metallischen Geschmack, welcher den Spaß an diesem Dessert leider etwas schmälert.
Den Kaffee versüßt eine ganze Armada von Petit Fours, die wiederum das volle Spektrum an Konsistenzen und Temperaturen abbilden und diesen Abend rundherum genüsslich beenden.
 - Unbedingt zu erwähnen: der bezaubernde Service unter Leitung von Kerstin Hellmich
"Treffsicherheit" ist dann das Stichwort, welches uns zu Caro Baum führt, die ihrer Stilistik grundsätzlich treu geblieben ist, diese jedoch im Detail konsequenter und pointierter umsetzt. Die Gerichte fußen auf ausgewogenen Kompositionen, die unterschiedlichste Produkte elegant verbinden, ohne im undifferenzierbaren Wohlgefallen eines Einheitsgeschmacks unterzugehen. Höchst intelligent versteht es Caro Baum, über das Spiel mit Kontrasten in Temperatur und Textur einem Gericht Spannung zu verleihen. So erhalten auch produktseitig minimalistische Kreationen eine subtile Finesse, die aus dem Ganzen stets mehr macht, als die Summe der einzelnen Teile.
Betrachtet man dies vor dem Hintergrund, dass schon bei unserem Besuch weniger Köche in der Küche des Amesa agierten, als noch vor einem halben Jahr, wird die Leistung umso beeindruckender. Wir wagen uns gar nicht vorzustellen, was hier bei einer vollen Nutzung des Potentials noch alles möglich (gewesen) wäre.
Doch hier holt uns die Aktualität wieder ein und diese Vorstellung muss vorerst von hypothetischer Natur bleiben. Mit dem Einzug von Juan Amador beginnt im September ein neues Kapitel in der Amesa: Caro Baum wird wieder ins zweite Glied rücken und ihren Chef während der Eröffnungsphase als Sous Chefin unterstützen. Insofern empfehlen wir jedem, die letzten Gelegenheiten zu nutzen und das "Amesa" in seiner jetzigen Form nochmals auszukosten, bevor ab 6.9. die ganz große Amador-Küche Einzug hält.
Fazit: Aufhören, wenn es am Schönsten ist: Caro Baum und ihr Team zeigen sich kurz vor dem Ende der Amesa noch einmal auf der Höhe ihrer Kunst. Wir werden sie schmerzlich vermissen! Dennoch freuen wir uns aber auch auf das nächste Kapitel in Mannheim: das neue Amador!
Restaurant Amesa
Floßwörthstraße 38
68199 Mannheim
+49 (621) 8547496
Krug Grande Cuvée
2008 Lagrima de Oro Riesling feinherb, Schlossgut Diel, Nahe
2010 Essinger Sonnenberg, Cabernet Sauvignon Rosé Beerenauslese, Weingut Frey, Pfalz
2009 José Pariente Verdejo, Rueda
2010 Calcari, Xarel.lo, Bodegas Pares Balta, Penedes
2009 Acustic blanc, Garnacha blanca und Macabeu, Bodega Acustic, Montsant
2008 Chimay Grande Reserve
2008 Portugieser, Weingut Beurer, Württemberg
2008 Savennières, Chenin blanc, Domaine Pithon-Paillé, Loire
2007 Deux Nez, Spätburgunder und Merlot, Weingut Bassermann-Jordan, Pfalz
2006 Rüdesheimer Klosterlay, Riesling Auslese, Weingut Leitz, Rheingau Cream Sherry, Bodegas Gutierrez-Colosia, Jerez
2008 L'Hereu de Nit, Rosé Cava, Raventos i blanc
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